StillePost - ein interdisziplinäres Kunstprojekt

 

Dialogische Entwurfsprozesse

Mimetische Transformation und
De-Automatisierung im Aesthetischen Spiel

Dagmar Jaeger jp3

Prolog

Denn [...] der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.[1]

Wir haben keinen Anla, uns ganz Mensch zu nennen, bevor wir nicht die Grenze zu halten gelernt haben zwischen dem sicher Gekonnten und dem Wagnis des Nicht-Knnens, bevor wir nicht die zugleich behutsame und gelassene, zugleich agierende und dienende Einstellung gefunden haben, die gutes Spielen von uns bei Strafe des Missglckens verlangt.[2]

Mit dem Spielerischen wird Spa assoziiert, das Gegenteil von Arbeit als Ernst des Lebens. Mit Kindheitsspielen, Gesellschaftsspielen oder Naturspielen verbinden wir in der Regel etwas Leichtes und Positives. Das Spiel ist etwas Anstrengungsloses, obwohl es auch anstrengen kann. Es gibt Wiederholungen, die zwischen einem ritualisierten Ablauf und Refrain - im Kinderspiel oder in der Dichtung - changieren knnen, oder einfach wiederholte Handlungsablufe sind, z.B. des Kindes, das sich bestimmte Lebenserfahrungen ganz nebenbei aneignet, bei dem nicht immer nachvollziehbar ist, was da eigentlich gerade interessiert. Das Spiel ist eine Handlung, die ihren Zweck bereits in sich selbst trgt, durch die Handlung des Spiels und im Spielen an sich. Der Sinn des Spielens ist das Spiel. Es verluft nach vereinbarten Regeln, die dazu dienen, sich in einem unbeschwerten Fluss von Handlung und Gedanke dem Vergehen von Zeit und einer Beschftigung im Modus des als ob hinzugeben. Der Zustand des schwebenden Scheins[3] hebt das knstlerische Spiel ber die physische Wirklichkeit hinaus, in die Welt des Schpferischen, Imaginierten beim Spielvorgang, das als Zu-sein-Scheinendes sich im sthetisch Hervorgebrachten uert. In kreativen Prozessen ist das spielerische Moment ein guter Partner: als wesentlicher Bestandteil kultureller, sthetischer Hervorbringung und zugleich als menschlicher Antrieb, diese Hervorbringungen zu kommunizieren, zu zeigen in einer kreativen Schpfung imaginrer Interpretation.

Drei Annherungen verorten das sthetische Spiel der Stillen Post als kreativen Entwurfsprozess: das Spiel nach Regeln als absichtsvolle Handlung zur Evokation des Zufalls und der Inspiration wird im ersten Abschnitt untersucht, der dialogische Entwurfsvorgang zwischen Personen und Dingen ist im zweiten Teil Gegenstand der Auseinandersetzung und schlielich wird im dritten Abschnitt die Transformationsleistung der spielerischen Entwurfshandlung zur Verwandlung, Symbolisierung und Aufbewahrung von sthetischer Tradition ins Verhltnis gesetzt. Die theoretischen berlegungen sind im Text mit den Betrachtungen ber das konkrete Spiel ineinander gewoben, um die Gedankenstrnge deutlich zu machen.

1. Schpferischer Automatismus [4] als Strategie im Spielvorgang

[...] das Wunderbare ist immer schn, gleich, welches Wunderbare schn ist, es ist sogar nur das Wunderbare schn.[5] Das Konzept des Spiels Stille Post gibt die Regeln vor aber 'spielen' mssen die Individuen, die sich entschlossen haben, die Regeln fr eine gewisse Zeitspanne zu akzeptieren. Im besten Fall eignen sie sich die Regeln so sehr an, dass sie sich frei in ihnen fhlen und den Gegenstand ihres Spiels aus diesem Empfinden heraus gestalten. Diese Art des Spiels, an dessen Ende ein bleibendes Produkt vorliegt, hat historische Vorbilder vor allem in den 1920er Jahren in Deutschland und Frankreich, d.h. der Bauhaus-Kultur und den Kunstformen des Surrealismus.[6] Wer also den Vorgang inspirierten Handelns und den mentalen Zustand, den es frei setzt, genauer untersuchen will, findet insbesondere in der surrealistischen Praxis der criture automatique[7] ein Vorbild.

Sptestens seit Erscheinen des ersten surrealistischen Manifests von Andr Breton 1924 ist bekannt, dass die surrealistischen Literaten, Maler und Photographen ihre knstlerischen Verfahren wesentlich an den Psychoanalysetechniken Sigmund Freuds orientiert haben. Insbesondere Freuds Traumdeutung[8] hat das Interesse der Surrealisten provoziert.[9] Es bestehen deshalb interessante Parallelen zwischen dem, was Freud das freie Assoziieren[10] genannt hat und dem Zustand, den die Surrealisten fr den fruchtbarsten menschlicher Kreativitt gehalten haben: Wenn ich jemand auffordere zu sagen, was ihm zu einem bestimmten Element des Traumes einfllt, so verlange ich von ihm, dass er sich der freien Assoziation unter Festhaltung einer Ausgangsvorstellung berlasse.[11]

Das freie Assoziieren nutzte Freud als Mglichkeit, die Klienten nicht bewusst abrufbare Informationen aussprechen zu lassen. Zuvor Unbewusstes, im Rahmen der Analyse also: Verdrngtes, konnte bewusst werden. Fr Freud lag hier die Mglichkeit, sich an Bereiche der Erinnerung heranzutasten, die durch Nachdenken nicht erreichbar gewesen wren.[12] Die Ergebnisse des Assoziierens sind oftmals schillernd, bilderreich, widersprchlich, unverstndlich oder in ihrer Symbolik dramatisch. Im Prozess der Analyse Freuds werden sie allerdings weniger als bewunderungswrdige Ergebnisse der menschlichen Einbildungskraft gesehen, sondern vielmehr als interpretationsbedrftige Formen, die eine Funktion im Fortgang der Analyse erhalten sollen.

Der knstlerischen Auseinandersetzung mit Freuds Anstzen liegt vielmehr die Faszination von Anschaulichkeit, Direktheit und Klarheit der Sprache des freien Assoziierens, des Prinzip[s] der Ideenassoziation[13] zugrunde. Es erschien den Surrealisten gleichzeitig geheimnisvoller, widersprchlicher und auf diese Weise spannungsgeladener als die bewusst komponierten Produkte knstlerischer Inspiration.[14] Weshalb also sollte diese Technik nicht fr knstlerische Produktionsformen ntzlich sein? Wichtig war Breton beispielsweise die Freistellung des Subjekts von Gelerntem und Gewusstem, sein Ideal war die Vorstellung von einem Kind, das sich verirrt hat und nun angstlos und voller Neugier die Welt betrachtet, als sei es das erste Mal.[15] Bei einem erwachsenen Knstler diese Freistellung zu erreichen, kann nicht vollstndig gelingen doch es gibt Methoden, die es erlauben, sich ihr anzunhern.

Techniken zur Lsung von Stereotypen sind fr Knstler und Architekten bis heute Bestandteil tradierter Strategien zur Lockerung festgefahrener Vorstellungen, um die Entdeckung des Neuen und den Zugang zum Unbewussten als Quelle der Inspiration zu erleichtern. Die Tcken des stereotypisierten Denkens sollen berlistet werden, um die eigenen Reflexe zu umgehen, wie es Gerrit Confurius ausdrckt.[16] Unsere Beobachtungsgabe ist wesentlich geschrfter, wenn wir mit neuen Erfahrungen konfrontiert werden, die nicht unmittelbar in vorgefertigte Bilder oder Urteile eingestuft, in unser Symbolsystem bersetzt werden knnen, sondern ob ihrer Neuheit intensiv wahrgenommen und untersucht werden mssen, um erkannt zu werden.[17] In der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts entwickeln z.B. Hans Arp, Max Ernst, Le Corbusier und Alvar Aalto individuelle Methoden zur berraschung und Lockerung des kreativen Flusses. Hans Arp zerreit von ihm ausgearbeitete Papierarbeiten, die Papiers dchires, um sie durch die Luft auf den Boden rieseln zu lassen. Die neue, dem Zufall berlassene Konstellation der Papierschnipsel, wie er sie dann von ihm unbeeinflusst neu komponiert vorfindet, kann er anschlieend entdecken und knstlerisch in Metamorphosen weiter treiben.[18] Max Ernst entwickelt zahllose halbautomatische Methoden wie z.B. das spter durch das Action Painting bekannte dripping, eine mit Farbe gefllte Dose, die an einer Schnur hngend, eigenstndig Linien auf einer Leinwand zieht; der zufllig entstandene Bildinhalt wird dann weiterinterpretiert[19]; oder die kontextuelle Technik der Frottage, die unvorhersehbare Abdrcke einer wirklichen Oberflchenstruktur wie bei einem magisch beschleunigten Wachstumsprozess langsam aufscheinen lsst. Den Vorgang der Entdeckung berfhrt Max Ernst durch vielschichtige berformungshandlungen in vorher nicht absehbare Bildzusammenhnge.[20] Le Corbusier nutzt die tgliche bung mit der Zeichnung und der Malerei wie der Akrobat, um die komplexen Architekturprobleme danach mit dem gelockerten Erfindungsgeist besser lsen zu knnen.[21] Alvar Aalto verrt, dass er direkt kindische Kompositionen[22] zeichnet, um zuvor angeeignete, unlsbar scheinende komplexe Bedingungen berraschend zusammen fhren zu knnen.

Spielerische, kreative Strategien nach selbst auferlegten Regeln werden in der zweiten Hlfte des 20. Jahrhunderts durch die OuLiPisten-Bewegung[23] aufgenommen: George Perec und andere Gruppenmitglieder schreiben unter strengen, mathematischen Regelbegrenzungen (= vorab entworfene Programme, ein prozesshafter Entwurf vor dem Entwurf, nach dem Regelentwurf kann jeder mitspielen) ganze Romane, um assoziative Krfte zu mobilisieren und intensivieren. Sabine Mainberger verdeutlicht den komplexen und erfinderischen Umgang Georges Perecs mit dem nur rigide scheinenden, mathematischen Regelwerk, das seiner Schreibarbeit La Vie mode demploie (Das Leben Gebrauchsanweisung) von 1978 zugrunde liegt. Bei nherer Beleuchtung werden die Regeln im Prozess der Spielaneignung bestndig weiter getrieben, abgendert oder ausgetrickst, um Regeln auszuloten, Tiefen zu erzeugen und zugleich dem Leser die kreative Energie zur Fortschreibung des Romans abzuverlangen.[24] Im ausgehenden 20. Jahrhundert wird durch die DOGMA Bewegung und die Dekonstruktivisten, allen voran Coop Himmelblau, das surrealistische Repertoire der Regelerfindung in den kreativen Prozess zur Entwicklung knstlerischer Produktion wieder aufgenommen. Die DOGMA Bewegung, auch durch ein programmatisches Manifest in der Tradition der Surrealisten und DaDaisten, entwickelt ein Regelwerk zur engen Begrenzung technischer Mglichkeiten und inhaltlicher Disziplinierung, um aufwendige Gewohnheiten der Filmdarstellung aufzugeben, damit die Schauspieler, an der Spielentwicklung intensiv beteiligt, tiefe Seelenzustnde durch Konzentration auf die Geschichte Improvisation ohne Vorlage ist wie Tennisspielen ohne Ball entwickeln knnen.[25] Und Coop Himmelblau entwirft methodisch mit automatischen Verrumlichungsprozessen bei geschlossenen Augen im Entstehungsprozess des open house 1983: Unabgelenkte Konzentration auf das Gefhl, das der gebaute Raum haben wird[26] um den Gefhlen ber die analoge Handzeichnung in eine rumliche Form zu verhelfen, so dass mit Hilfe blinder Gesten, die in Linien und in dreidimensionale Formen bersetzt werden, die Krpersprache des Entwerfers buchstblich in den Plan [...] [eingeschrieben wird].[27]

Die Zeit- und Spielbegrenzung und Fokussierung des Transformationsmaterials ist im Stille Post Spiel die Ausgangssituation fr die Entstehung eines an elf Personen gebundenen Ideenflusses im Dialog. Die Spielbedingungen sind fr die Einzelne der Handlungsraum: innerhalb von gegebenen Grenzen wird eine Beziehung zur Spielvorgngerin im Geheimen aufgebaut, um den Dialog ber eine sthetische Hervorbringung weiter zu treiben.

2. Der dialogische Entwurf als Beziehungs- und Erkenntnisvorgang

Ein Spielergebnis wird im Hinblick auf einen Produktionsprozess spielerisch und im Dialog und Austausch mit der sthetischen Erfahrung des Spielmitglieds im Spiel nach Regeln transformiert. Vorweg ist einzurumen, dass wenn irgendwo, in der sthetik Erkenntnis schichtenweise sich vollzieht.[28] Der Dialog ist ein Entfaltungsprozess auf dem Weg zur Erkenntnis.

Ergebnis eines sthetischen, nach Bedeutung suchenden und funktionalen Dialogs im architektonischen Entwurfsprozess ist das Gebude als rumlicher, in Materie verwandelter Dialog mit der Umgebung. Dieses Ergebnis bildet den Dialog zwischen den am Bauprozess beteiligten Personen ab und drckt den Dialog der am Prozess Involvierten mit vergangener und gegenwrtiger Baukultur aus. In der knstlerischen Disziplin ist der Entwurfsvorgang zwischen Inkubation und Verifikation[29] als durchgngiger Schaffens- und Suchprozess erst mit dem Werk abgeschlossen. In der Architekturdisziplin liegt dem Entwurfshandwerk traditionell dieses Selbstverstndnis zugrunde: Selbst der erfahrendste Architekt wird immer wieder erleben, dass er erst im Mastab der natrlichen Gren seine formalen Absichten voll zu berschauen und ihnen den charakteristischen Ausdruck zu geben vermag. Nur selten bleibt die Zeichnung 1 : 20 unverndert, wenn man in natrlicher Gre detailliert.[30] Der Prozess der Verwandlung, ein Entwurfsvorgang, ist ein subjektiver Vorgang, der im entwerfenden Gestalten die Relation zwischen den Dingen und den Menschen im Hinblick auf Bedeutungsorientierung hinsichtlich der Dinge, der Handlungen und der Ereignisse definiert und beschreibt.

Das Entwerfen ist die Kunst der Erneuerung, der Vorstellungskraft und der Erfindung, in der Architekturdisziplin Werkzeug und Prozess zugleich. Hochkomplex in der emotionalen und intellektuellen Beanspruchung des Entwerfenden, verknpft diese Ttigkeit eine Vielzahl an Notwendigkeiten, Informationen und an die Person gebundenen Erfahrungen durch eine Flle an Entscheidungen im Suchprozess. Entwerfen ist grundstzlich eine empirische, eine praktizierende und dadurch zu berprfende Disziplin. Die mgliche Selbstreflexivitt des Entwerfers integriert die neu gewonnene Erfahrung aus vorangehenden Entwurfshandlungen und findet im rckkoppelnden Auswerten der Mglichkeitsfelder statt; dies zeichnet eine heuristisch orientierte Entwurfsstrategie aus. Eine reflexive Entwurfspraxis nutzt die Option zur bewussten Prozesssteuerung, um im Vorgang des Entwerfens die Dialogebenen, die den Entwurf als Form- und Raumfindungsprozess charakterisieren, gezielt und kreativittsfrdernd zu platzieren. Die Prozesssteuerung findet im Stille Post Spiel nach vorab definierten Regeln seinen Niederschlag. Reflexiv wird die Reaktionskette der Spielerin durch ihren dreifachen Spieleinsatz. Drei Spielrunden bringen eine Reihe von Ergebnissen hervor, die innerhalb der 22 Spielwochen Bestandteil eines fortlaufenden Dialoges werden, in dem jede Spielerin verschiedene Dialogsituationen experimentiert.

Verursacht wird ein Dialog durch Fragestellungen, die dem Erkenntnisdrang entspringen. Welchen Inhalts die Fragen sind, die im Entwerfen gestellt werden, entscheidet ber die Ausgestaltung der Dialogebenen, die erffnet werden. Im Protokoll zwischen zwei Akteurinnen werden maximal drei Fragen gestellt, 10 Stze mssen der Beantwortung reichen. Wie die Fragen beantwortet werden, oder welche Intention die Fragende/Antwortende verfolgt, ist offen. So ist die Priorittensetzung der mglichen Themen im Dialog, der Kontextebenen im Entwurf, abhngig von den Interessen der Personen, die den Entwurfsprozess prgen. Die Auswahl dieser Kontextebenen nimmt folglich Einfluss auf den Inhalt und die Antworten des Dialogs, den Form- und Klangfindungsprozess. Die rhetorische Kunstfertigkeit des Gesprchs entscheidet, wie und wann die Kontextebenen in diesen Vorgang integriert werden. Nicht nur gelegentlich, sondern immer bertrifft der Sinn eines Textes seinen Autor. Daher ist Verstehen kein nur reproduktives, sondern stets auch ein produktives Verhalten.[31]

Das Stille Post Spiel ist eine Dialogreihe zwischen elf Personen. Der Kontext des Dialoges entwickelt sich aus dem Ausdruck der jeweils vorangegangenen Arbeit. Wie diese Mitteilung, der Ausdruck, verstanden wird, gibt Auskunft ber die Qualitt des Dialogs. Jede Akteurin setzt die Prioritten ihrer Reaktion, indem sie aus dem Kontext der zu beantwortenden Arbeit - dem Fundus des Gesprchsstoffes auswhlt, um zu antworten. Dies bildet den Vorgang des Verstehens oder Missverstehens ab, den Interpretationsspielraum der Regeln und das Werkzeug, mit dem sie auf die Vorgngerin reagiert. Durch knstlerische Produktion unterliegt Erkenntnis einem fortwhrenden Wandel, ist also wirklich, gegenwrtig, bewusst oder unbewusst und verweist im Prozess der Verwandlung bereits auf neue Perspektiven. Sinnhaltige Form lsst sich nicht ex nihilo konzipieren; wir knnen sie nur finden und nach ihrem Bilde etwas schaffen.[32]

3. Mimetische Transformation Nachahmung und Umformung

Der Begriff der Transformation beschreibt einen Vorgang, einen Prozess des Umwandelns und Umformens. Aus lateinisch transformare, trans fr durch, hindurch, ber hinaus, lateinisch forma fr Gestalt, Figur umschreibt dieser zusammengesetzte Begriff die Bedeutung, die von sichtbaren, sthetischen Eigenschaften der Dinge handelt, die in der Gestalt (Erscheinung) oder in der Figur (Umriss) durch ein Subjekt hindurch gegangen zur Anschauung kommen. In Wahrheit ist in der Darstellung der Kunst Wiedererkenntnis am Werk, die den Charakter echter Wesenserkenntnis hat.[33] Im knstlerischen Entwurfsprozess der dialogischen Weitergabe sthetischer Informationen findet das Transformieren ausschlielich mit sicht- oder hrbarem Material statt  - Fotografien, Zeichnungen, Skizzen, Musikstcke, Objekte, Filme, Texte. Der Gestaltungsprozess, den das Ausgangsmaterial nimmt, geht im Entwurfsprozess durch das Bewusstsein des Entwerfenden hindurch ber sich selbst hinaus und resultiert in einem neuen, transformierten Objekt und einer neuen Sichtweise auf den Ausgangsstoff der Transformation.

Mimetische Transformation mag ein Paradoxon sein, verbinden sich doch in diesem Begriff die Vorgnge der Nachahmung und der Umgestaltung. Adorno kritisiert das technische Verfahren und die Beredtheit der mimetischen sthetik, spricht ihr aber eine suggestive Kraft nicht ab, da Blindes, zuvor nicht Erkanntes, durch Mimesis Ausdruck finden kann: Das fhrt auf eine subjektive Paradoxie [...]: Blindes den Ausdruck aus Reflexion durch Form zu produzieren; das Blinde nicht zu rationalisieren sondern sthetisch berhaupt erst herzustellen.[34] Bereits in diesem nachahmenden Vorgang liegt die interpretierende Handlung: Eine Tatsache [...] ist das, was in gegenwrtigen Ereignissen Gegenstand der Aufmerksamkeit, des unterscheidenden Gewahrseins, ist.[35] Nun steht das Gewahrsein in direkter Abhngigkeit zu der Tatsache, die eine Person auf dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen im Dialog subjektiv erfhrt. Die getroffene Auswahl einer als wichtig erachteten Bedeutung - der im Reaktionsprozess aufgegriffenen Botschaft  - ist bereits der erste Umgestaltungs- als Interpretationsvorgang. Dies wiederholt sich in den darauf folgenden mimetischen Gestaltungsprozessen innerhalb einer Spielrunde potenziert das Isolieren oder Herausstellen von Teileigenschaften wird mehrfach wiederholt, und der Ausdruck [wird zum] Interferenzphnomen,[36] da auf ein Gewahrsein der nchste Interessensfokus erfolgt, und die daraus gewonnenen Erkenntnisse jeweils in einer Beziehungskette mit dem vorab Erkannten stehen und im Transformierten immer dichter ein- und ineinander geschrieben werden knnen. Dies Interferenzphnomen ist beispielsweise in der Folge 2.1.-2.5 zu beobachten: die mediale Auseinandersetzung mit dem Postindustrialismus von Sandra Becker 01 man schaut im bewegten Bildausschnitt auf die Fe, die im Takt des Laufbandes eines Fitnessstudios maschinenmig gehen mssen - wird mit einer Videoantwort der bildenden Knstlerin Elvira Hufschmids ein ebenso bewegter Oberkrper ergnzt; neue Taktsequenzen -  eine Interpretation der Pianistin Jasmina Samssulis zur Etude Nr.3 von G. Ligeti - werden auf die Filmarbeit aufgelegt, eine Titelabnderung der Philosophin Kathrin Busch fokussiert den Stoff neu und im anschlieenden Text der Landschaftsarchitektin Margit Schild wird ber die Auslassungen zur Qualitt des freien Gehens als Entdeckung von Orten die Interferenzverdichtung letzlich aufgelst.

Im Unterschied zur [rein] analytischen Lektre[37] widersetzt sich die der Lust folgende dem fortlaufenden Wechsel zwischen Rezeption und Produktion und definiert vielmehr einen Rhythmus von Intensittsmomenten.[38] Der Umgang mit der Lcke zwischen den einzelnen kreativen Handlungen und Gesprchsbezgen im kommunikativen Spiel wird von einer Ebene zur nchsten, von einer Transformationshandlung zur darauf folgenden neu definiert und dient der berbrckung des vorangegangenen Gesprchsfokus. Dieser Verknpfungsvorgang birgt eine Vielzahl an sthetischen Entscheidungen.

 Sein als Verwandeln ins Gebilde

In den darstellenden Knsten sind Nachahmung und Darstellung [...] nicht abbildende Wiederholung allein, sondern Erkenntnis des Wesens. Weil sie nicht blo Wiederholung, sondern Hervorholung sind, ist in ihnen zugleich der Zuschauer mitgemeint.[39] Wenn etwas sthetisch hervorgeholt ist, zeigt es sich auch zugleich. Die Hervorholung meint das interpretierte Wesenhafte in der Darstellung, denn Kunst ist ein nachahmendes Wieder erkennen.[40] Der Fokus auf den knstlerischen Darstellungs- als Erkenntnisprozess, als bedeutungshaftes Ganzes,[41] impliziert eine notwendige Rezeptionserfahrung durch einen Beobachter und vermittelt zwischen der Perspektive von Selbstausdruck und semantischer Botschaft einer Symbolisierung durch erkennende Darstellung. Die Verwandlung ins Gebilde[42] meint darber hinaus die Weiterentwicklung einer Persnlichkeit durch das, was sie in der Kunst darstellt als Folge der Auseinandersetzung mit dem zunchst Unbekannten. Dies ist kein Prozess bloer Vernderung, sondern der Erneuerung. Die knstlerische Vereinnahmung ber darstellende Wahrnehmung grenzt die Wirklichkeit als das Unverwandelte und die Kunst als die Aufhebung dieser Wirklichkeit in die Wahrheit[43] voneinander ab.

Das Kunstwerk verhlt sich zur Wirklichkeit nachahmend, damit sich jeder einzelne selbst darin erkennt und wieder erkennt.[44] Das transformierte Objekt spiegelt von einer Arbeit zur nchsten die verwandelten Kontexte wider. Die mimetische Transformation im bersetzungsvorgang bringt Gestalt hervor, die einer Beziehung entspringt, Ursache fr die entstandenen Relationen ist das Erkennen im Bekannten: der Erkenntnissinn von Mimesis ist Wiedererkennung.[45] Vorhandenes wird mit dem individuellen Auge wieder erkannt, da es schon vorher existiert hat, ohne erkannt zu sein. Das verwandelte Gebilde ist dem Ausgangsstoff hnlich, in der Konsequenz ist das Ergebnis als Konstellation vllig neuer Rahmenbedingungen durch neue Bezugspunkte der eingefgten Kontextebenen im transformierenden Spielfortschritt jedoch eindeutig etwas Anderes, etwas Neues. Es kann hier keinen bergang allmhlicher Vernderung geben, der vom einen zum anderen fhrte, da das eine die Verneinung des anderen ist. So meint Verwandlung ins Gebilde, da das, was vorher ist, nicht mehr ist. Aber auch da das, was nun ist, was sich im Spiel der Kunst darstellt, das bleibende Wahre ist.[46] Das mimetische und das innovative Moment setzt Gadamer in den Kontext der Wahrheitssuche durch Handlung. Der Nachahmung wie auch der Verwandlung liegt der Wunsch nach Erkenntnis zugrunde, die menschliche Antriebsfeder, der Erkenntnissinn. Nachahmung hat also als Darstellung eine ausgezeichnete Erkenntnisfunktion.[47] Dies Transformatorische in der Kunst ist, [...] nur mglich als durchs Subjekt hindurch gegangene.[48]

Aus der neu gewonnenen Erfahrung tritt eine Persnlichkeit verwandelt hervor.[49] Dabei ist die Verwandlung ein Prozess, den der kreative Mensch in dem Moment erlebt, in dem er knstlerisch transformierend darstellt. Er lsst etwas durch sich selbst hindurch passieren, wodurch eine irreversible Vernderung des Bewusstseins durch Erkenntnis eintritt. Das Nicht-wieder-Zurcknehmbare an Erlebtem und damit Erkanntem, die Verwandlung, bedeutet, dass die Erkenntnis, die vorher Erkenntnis war, nicht mehr ist. Was damit fr die Bestimmung des Seins der Kunst gesagt sein soll, tritt heraus, wenn man den Sinn von Verwandlung ernst nimmt. Verwandlung ist nicht Vernderung [...]. Verwandlung dagegen meint, da etwas auf einmal und als Ganzes ein anderes ist, so da dies andere, das es als Verwandeltes ist, sein wahres Sein ist, dem gegenber sein frheres Sein nichtig ist.[50]

Dem Prozess des knstlerischen Darstellens wird hier die eigentliche Erkenntniskraft des in der Welt-Seins zugeschrieben. Das Kunstwerk ist nicht von der Kontingenz der Zugangsbedingungen, unter denen es sich zeigt, schlechthin isolierbar, und wo solche Isolation doch geschieht, ist das Ergebnis eine Abstraktion, die das eigentliche Sein des Werkes reduziert.[51] Die Zugangsbedingungen bezeichnen das Erleben der Darstellung im darstellenden Rezipieren, im Sein whrend und durch die knstlerische Hervorbringung. Dieses kann nicht abgetrennt passieren von der Rezeption und im Umkehrschluss bleibt die Rezeption ohne die Darstellung abstrakt und nicht erfahrbar. Der dialogische Prozess im Stille Post Projekt bietet diese gleichzeitige Darstellungs-; Hervorbringungs- und Erkenntnis- als Seinsqualitt, als Teil des Seinsvorganges der Darstellung.[52]

Symbolische Transformation

Das Moment der Mitteilung von uerungen zur Erinnerung oder zum Gewinn einer Vorstellung von Erfahrungen ist Teil des schpferische[n] Prozess[es] der Ideenbildung, [...] der Abstraktion, der das Menschenleben zu einem Abenteuer des Verstehens macht.[53] Menschliches Dasein differenziert sich durch den Drang zur scheinbar sinnlosen, da nicht berlebensnotwendigen Symbolisierung in Form von uerungen, die ber das Hervorbringen von Anzeichen zur zweckgebundenen, reinen Bedrfnisbefriedung weit hinausgehen. Der Symbolisierungsvorgang reprsentiert einen notwendigen Teil menschlicher Existenz und ist so Verstehen und Verstndigung, Mittel und Zweck in eins.[54] Wie wir die Welt verstehen und interpretieren, prgt auch den dialogischen Erkenntnisvorgang im knstlerischen Transformieren. Kreative uerungen sind Teil unseres Verstndigungs- und Mitteilungsvorganges. Die Ergebnisse, die knstlerischen Hervorbringungen als Transformation der kristallisierten Bedeutungszuschreibung durch die Spielerinnen bergen eine semantische Aussagekraft. Die Veranschaulichung des Verstehensprozesses ist in dem menschlichen Bedrfnis begrndet, in konkretem Handeln den symbolischen Prozess des Gehirns zu vollenden.[55] Das Transformierte ist wie das gesprochene Wort Selbstausdruck und semantische Botschaft zugleich.

Verwandelnde Aufbewahrung

Durch knstlerische bersetzung besteht Tradition fort, allerdings verwandelt durch die Sinnperspektive des Betrachters. Tradition [ist] der Erkenntnis selbst immanent [...] als das vermittelnde Moment ihrer Gegenstnde und Erkenntnis hat an sich [...] teil an Tradition als unbewusste Erinnerung;[56] so entsteht eine verwandelte Kontinuitt des bereits Gedachten und des Wirklichkeitsbegriffs: der vergangene und gegenwrtige dialogische Kontext ist Gegenstand der Bezugnahme des nach Antwort Suchenden, um [...] Tradition [...] nicht abstrakt zu negieren, sondern unnaiv nach dem gegenwrtigen Stand zu kritisieren: so konstituiert das Gegenwrtige das Vergangene.[57] Die Wahl der Gesprchskontexte, die verwandelt aufbewahrt werden, konfrontiert Gegenwart und Geschichte interdisziplinr. Vergangenes kann einen subtilen oder direkt sichtbaren Gegenwartsbezug enthalten, der, aufgegriffen, pltzlich zum Hauptthema des knstlerischen Gesprchs wird. Die fotographische Sequenz einer mrchenhaft anmutenden Familiengeschichte in der Arbeit 3.3 von Katrin Tomas wird ber abstrahierende Personen- und Objektskizzen (Sandra Becker) in das (vielleicht durch den Titel der Gesprchspartnerin inspirierte) Psychogramm Sachses Antwort auf Haecksenspiele von Julia von Hasselbach berfhrt. Die Ernsthaftigkeit dieser Arbeit wird zu den Collagen Knnen Hexen fliegen? von Kathrin Busch, ein assoziatives Spiel mit weiblichen Persnlichkeitstypen, verfremdet, die in der Arbeit Vera Frankes - als roter Gesprchsfaden erkennbar - verwandelt im ironisierenden Mrchenkontext wieder aufgenommen wird. Wie im Experiment des Cadavre Exquis[58] der surrealistischen Praxis taucht am Ende berraschend noch das Elfentagebuch von Dagmar Jger in neun Teilen auf ein geheimes Echtzeitdokument der psychologisch dicht gewussten Affren im Prozess.

Mimetische Transformation, nachahmende Aneignung durch (Um)Gestaltung, kann keine blinde Nachahmung[59] sein. Ohne wertende Bedeutungszuschreibung ist kein Erkennen und knstlerisches Hervorholen mglich. Wertungen unterliegen Erfahrungen und Traditionen und damit gltigen Verallgemeinerungen. Gltige Vereinbarungen werden zum Konsens, als Stereotypen im Geschichtsprozess tradiert, als solche allgemeingltig, unverrckbar und der Kritik schwer zugnglich.[60] Durch ein aufgeweitetes Verstndnis kulturell und zeitlich heterogener, disziplinfremder Kontextbezge im Spielprozess zwischen 11 Akteurinnen werden gewohnte Sehweisen in Bewegung versetzt. Die Wahl der Bezge aus Gegenwart und Vergangenheit schaffen den kritischen Rahmen, das jeweilig Hervorgeholte unter intendierten Gewichtungen zu entdecken, zu bewerten, und schlielich deutend in Gestaltkompositionen mehrfach ineinander verwoben abzulegen. Als ob nicht jede Erkenntnis [...] die erstarrten Dinge in Flu brchte, eben dadurch in ihnen der Geschichte gewahr wrde.[61]

Epilog

 Wie kann also, so fragt er sich, ein Ding uns wirklich erscheinen, wenn die Synthese niemals abgeschlossen ist [...]. Wie kann ich die Welt als ein tatschlich existierendes Individuum erfahren, wenn keine der Perspektiven, unter denen ich sie betrachte, sie zu erschpfen vermag und die Horizonte immer offen sind? [...] Der Glaube an das Ding und an die Welt mu die Annahme einer abgeschlossenen Synthese mit einschlieen und doch wird dieser Abschlu unmglich gemacht durch die Natur der zu korrelierenden Perspektiven selbst, weil jede von ihnen durch ihre Horizonte stndig auf andere Perspektiven verweist [...] Der Widerspruch, den wir zwischen der Realitt der Welt und ihrer Unabgeschlossenheit finden, ist derselbe wie der zwischen der Allgegenwrtigkeit des Bewusstseins und seinem sich Engagieren in einem Gegenwartsfeld [...]. Diese Ambiguitt ist nicht eine Unvollkommenheit des Bewusstseins oder der Existenz, sondern die Definition davon.[62]

Die Autorin arbeitet an einer Dissertation mit dem Titel Die Schnittmuster-Strategie, eine dialogische Entwurfslehre als Bestandteil der Architekturausbildung, die sich mit dem komplexen Phnomen der Entwurfsprozesse auseinandersetzt.



[1] Friedrich Schiller, Ueber die sthetische Erziehung des Menschen. In einer Reihe von Briefen (1795), in:  Schillers smtliche Werke in zwlf Bnden, Zwlfter Band, Stuttgart 1847, S. 1-128, hier: S. 61.

[2] Hans Scheuerl, Theorien des Spiels (1955), Weinheim 1975, S. 208.

[3] Ebd., S. 203.

[4] Dies ein Begriff, den Johannes Itten bereits verwendet hat, s. Funote 7.

[5] Andr Breton, Entretiens Gesprche. Dada, Surrealismus, Politik. Radio-Gesprche 1913-1952 (1952), Amsterdam 1996, S. 95.

[6] Die Ausstellung Faites vos jeux in der Akademie der Knste 2005 zeigt das zeitgenssische Interesse am durchgngigen Thema vom Spiel (nach Regeln) in der Kunst des 20. Jahrhunderts (vgl. Nike Btzner (Hg.), Kunst und Spiel seit DADA. Faites vos jeux!, Ostfildern-Ruit (2005); ein vorangegangenes Symposium widmet sich der Spieltheorie in Kunst, Theater und Wissenschaft (vgl. Hans-Wolfgang Nickel und Christian Schneegass (Hg.), Symposium Spieltheorie, BAG, LAG, dem Institut fr Spiel- und Theaterpdagogik der HdK Berlin und der Akademie der Knste, Berlin (1998); die kulturwissenschaftliche Themenzeitschrift figurationen durchleuchtet mit einem Heft 1 (2004) das Spiel in Architektur, Kunst u.a.

[7] Aus dem ersten Manifest Bretons zu den Geheimnissen der surrealistischen Praxis (1924): Lassen Sie sich etwas zum Schreiben bringen, nachdem Sie es sich irgendwo bequem gemacht haben, wo Sie ihren Geist soweit wie mglich auf sich selber konzentrieren knnen. Versetzen Sie sich in den passivsten oder den rezeptivsten Zustand, dessen Sie fhig sind. Sehen Sie ganz ab von Ihrer Genialitt, von ihren Talenten und denen aller anderen. [...] Schreiben Sie schnell, ohne vorgefates Thema, schnell genug, um nichts zu behalten [...]. [B]rechen Sie ohne zu zgern bei einer zu einleuchtenden Zeile ab. (Andr Breton, Die Manifeste des Surrealismus, von 1924 bis 1935 (1968), Reinbek 1977, S. 29-30) Vgl. Wick, der Johannes Itten lange vor den Surrealisten die automatische Praxis (schpferische[r] Automatismus) von Psychogrammen, von spontanen Niederschriften von Empfindungswerten in der Tradition Hlzes bescheinigt (Rainer Wick, Bauhaus Pdagogik (1982), Kln 1988, S. 98).

[8] Vgl. Sigmund Freud, Die Traumdeutung (1900), Frankfurt a.M. 2002.

[9] Vgl. Breton, Die Manifeste des Surrealismus, S. 16f. Breton zum Thema: Die gesamte Lehre Freuds, [...] [hatte] sich auf diesem Gebiet [der Trennung von Verstand und Leidenschaft] immer strker als Herr ber unser Denken behauptet (Breton, Entretiens Gesprche, S. 122).

[10] Vgl. auch in Freuds Traumdeutung den Begriff der 'freisteigenden Einflle (Freud, Die Traumdeutung, S. 116): der Verzicht auf jede Form von Energieverlust zugunsten einer totalen, ruhigen Konzentration auf das Detail einer Traumerinnerung. Er verweist hier auf eine Schreibtechnik Schillers zur Frderung der Imagination, in der der Verstand seine Wache von den Toren zurckgezogen [hat], die Ideen strzen plemle herein. Was Breton unter den Begriff der Inspiration fasst, erkennen wir [mhelos] [...] an dieser totalen Inbesitznahme unseres Geistes, [...] an dieser Art Kurzschlu, den sie zwischen einem gegebenen Einfall und seiner Entsprechung [...] [auch abseits der rationalen Lsungsmglichkeit] herstellt. (Breton, Die Manifeste des Surrealismus, S. 81).

[11] Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einfhrung in die Psychoanalyse (1915-17), Frankfurt a.M. 1983, S. 85f.

[12] Vgl. ebd.

[13] Breton, Die Manifeste des Surrealismus, S. 35.

[14] Vgl. Bretons Kritik am Roman (ebd., S. 13f.), Worum also ging es? Um nichts Geringeres als das Geheimnis einer Sprache wiederzufinden, deren Elemente nicht mehr wie Treibgut an der Oberflche eines toten Meeres schwmmen. (Ebd., S. 127.) Er verweist hier neben den sprudelnden surrealistischen Quellen auf die spontanen Techniken des Dada, die Wortspiel-Produktionen und die knstlerische Abkehr vom zweckhaften Gebrauch, der mglichst genaue[n] Nachahmung des Lebens (ebd.), als Ausgangspunkt der Verdichtungskunst.

[15] Vgl. ebd., S. 37.

[16] Im Editorial von Daidalos 71 (1999), S. 5.

[17] Vgl. Betty Edwards, Das neue Garantiert zeichnen lernen. Die Befreiung unserer schpferischen Gestaltungskrfte (1979), Reinbeck 2002, S. 112f.

[18] Vgl. Walburga Krupp, Hans Arp Formenjongleur par exellence. Dada ist der Urgrund aller Kunst., in: Arp ist da, Skulpturen Reliefs Arbeiten auf Papier von Hans Arp, Ausstellungskatalog, Kunstforum der Berliner Volksbank, Juli 2005, S. 9-16.

[19] Vgl. Ulrich Bischoff, Max Ernst 1891-1976. Jenseits der Malerei, Kln 1987, S. 73.

[20] Vgl. ebd., S. 54.

[21] Bruno Reichlin, Den Entwurfsprozess steuern eine fixe Idee der Moderne?, in: Daidalos 71 (1999), S. 6-21, hier: S. 14.

[22] Alvar Aalto, Forelle und Gebirgsbach, in: Alvar Aalto. Skizzen und Essays (1947), Ausstellungskatalog, Akademie der bildenden Knste, Wien 1985, S. 10-11, hier: S. 10.

[23] Ouvroir de littrature potentielle (Oulipo).

[24] Sabine Mainberger, Von der Liste zum Text vom Text zur Liste. Zu Werk und Genese in moderner Literatur. Mit einem Blick in Perecs Cahier des charges zu La Vie mode demploi, in: Entwerfen und Entwurf, Praxis und Theorie des knstlerischen Schaffensprozesses, hrsg. v. Gundel Mattenklott und Friedrich Weltzien, Berlin 2003, S. 273f.

[25] Lars von Trier, Die Kontrolle aufgeben, Lars von Trier im Gesprch, in: DOGMA 95. Zwischen Kontrolle und Chaos, hrsg. v. Jana Hallberg und Alexander Wewerka, Berlin 2001, S. 159-168, hier S. 162. Er schildert seine Motive so: Die DOGMA-Regeln entspringen meinem Bedrfnis, mich einer Autoritt und Regeln zu unterwerfen, die es in meiner humanistisch und linksliberal geprgten Erziehung nicht gab. Zugleich drcken sie den Wunsch aus, etwas ganz Einfaches zu machen. Bei den blichen Filmproduktionen erweist sich der Zwang, stndig zu unendlich vielen Dingen Stellung beziehen und sie kontrollieren zu mssen, als groer Hemmschuh (ebd., S. 160).

[26] Coop Himmelblau, Architektur ist jetzt. Projekte, (Un)Bauten, Aktionen, Statements, Zeichnungen, Texte. 1968-1983, Stuttgart 1983, S. 28.

[27] Anthony Vidler, unHEIMlich. ber das Unbehagen in der modernen Architektur (1992), Hamburg 2001, S. 107.

[28] Theodor W. Adorno, sthetische Theorie, Band 7 der gesammelten Schriften, Frankfurt a.M. 1970, S. 513.

[29] Gundel Mattenklott und Friedrich Weltzien, Einleitung, in: Entwerfen und Entwurf, Praxis und Theorie des knstlerischen Schaffensprozesses, hrsg v. dens., Berlin 2003, S. 9.

[30] Fritz Schumacher, Handbuch der Architektur (1926),  IV. Teil, 1. Halbband, Berlin 1991, S. 62.

[31] Hans-Georg Gadamer, Hermeneutik I., Wahrheit und Methode (1960), Gesammelte Werke Band 1, Tbingen 1990, S. 301.

[32] Susanne K. Langer, Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst (1942), Frankfurt a.M. 1984, S. 246.

[33] Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 120.

[34] Adorno, sthetische Theorie, S. 174.

[35]  Karl Britton zit.n. Langer, Philosophie auf neuem Wege, S. 263.

[36] Adorno, sthetische Theorie, S. 174.

[37] Marc Anglil und Anna Klingmann bestimmen den Begriff der militanten Hermeneutik als Entwurfsmethode der Interpretation (vgl. Marc Anglil und Anna Klingmann, Militante Hermeneutik. Interpretation als Entwurfsmethode, in: Daidalos 71 (1999), S. 72-79) ausgehend von Paul Ricurs Idee (der von Gadamers hermeneutischer Position ausgeht) des Ausgreifens von Interpretationshandlungen ber einen Text in die Aktion. Anhand von Umberto Ecos mehrdeutigem, Jacques Derridas dekonstruierendem und Roland Barthes spontan-lustvollem Interpretationsverstndnis, das den bergang von der Interpretation zur Materialisation (ebd., S. 76) markiert, stellen sie diese Theorieanstze den Entwurfspraktiken von Daniel Libeskind, Peter Eisenman und Frank Gehry gegenber.

[38] Anglil u. Klingmann, Militante Hermeneutik, S. 77.

[39] Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 120. Gadamer zeichnet mit seinem Spiel als Leitfaden der ontologischen Explikation in der Tradition Schillers die sthetische Erfahrung des kreativen Hervorbringens als Ausgangspunkt von Erkenntnis und Vermittlung zugleich durch Anknpfung an Erfahrungen der Vergangenheit, im Spiel und in der Kunst (ebd. S. 107-133).

[40] Vgl. ebd., S. 120.

[41] Ebd., S. 122.

[42] Ebd., S. 116.

[43] Ebd., S. 118.

[44] Ebd., S. 119.

[45] Ebd., S. 119.

[46] Ebd., S. 116f.

[47] Ebd., S. 120.

[48] Adorno, sthetische Theorie, S. 253.

[49] Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 116-117.

[50] Ebd., S. 116.

[51] Ebd., S. 121.

[52] Ebd., S. 122.

[53] Langer, Philosophie auf neuem Wege, S. 276.

[54] Ebd., S. 59.

[55] Ebd., S. 52.

[56] Theodor W. Adorno, Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit (1966), Band 6 der gesammelten Schriften, Frankfurt a.M. 1990, S. 63.

[57] Adorno, sthetische Theorie, S. 68.

[58] Das visuelle Pendant der Surrealisten zur criture automatique: mehrere Personen verfassen gemeinsam eine Zeichnung, die vorhergehende Person wei nichts von dem Anschlussstck, an dem sie weiterzeichnet.

[59] Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 124.

[60] Vgl. Adorno, Negative Dialektik, S. 337.

[61] Ebd., S. 135.

[62] Maurice Merleau-Ponty z.n. Umberto Eco, Die Poetik des offenen Kunstwerkes (1962), in: Im Labyrinth der Vernunft,  Kritik der Ikonizitt, Leipzig 1995, S. 113-142, hier: S. 134.

Der Text ist auch im Ausstellungskatalog 'Stille Post!' veröffentlicht;
erschienen im UdK-Verlag : ISBN 3-89462-139-7 & ISBN 978-3-89462-139-1;